– Titus Gebel – 

Freie Privatstädte Whitepaper

Zusammenfassung

 

Derzeitige politische Systeme sind von falschen Anreizen sowohl für die Regierenden als auch für die Regierten geprägt. Die Regierenden sind nicht haftbar und haben keine wirtschaftlichen Nachteile zu befürchten, wenn sie schlechte Entscheidungen treffen. Den Regierten wird vorgegaukelt, dass sie sich „kostenlose“ Leistungen per Stimmabgabe in die Tasche wählen können. Dies politisiert das staatliche Gewaltmonopol und führt zu ständigen Änderungen des „Gesellschaftsvertrags“. Ergebnis ist ein ständiger Kampf, um diese Änderungen in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen.

Mit diesem Beitrag schlage ich eine friedliche und freiwillige Alternative zum politischen status quo vor: Freie Privatstädte. Eine Freie Privatstadt zeichnet sich dadurch aus, dass sie von einem gewinnorientierten Unternehmen, dem Stadtbetreiber, veranstaltet wird, der als „Staatsdienstleister“ fungiert. Dieser kann auch als Genossenschaft organisiert sein und sich teilweise oder vollständig im Eigentum der Bürger befinden. In dieser Eigenschaft garantiert der Betreiber seinen Bürgern den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum. Die vom Betreiber erbrachten Dienstleistungen umfassen die innere und äußere Sicherheit, einen vordefinierten Rechts- und Regulierungsrahmen sowie ein unabhängiges Streitschlichtungssystem. Interessierte Einzelpersonen und Unternehmen schließen mit ihm einen „Bürgervertrag“ ab und zahlen anstelle von Steuern eine feste Jahresgebühr für diese Dienstleistungen. Innerhalb dieses Rahmens kann sich eine „spontane Ordnung“ entwickeln, die sich aus den freiwilligen Aktivitäten und Entscheidungen der Bürger ergibt. Der Betreiber kann den Bürgervertrag später nicht ohne die Zustimmung des betroffenen Bürgers einseitig ändern. Streitigkeiten zwischen Bürgern und dem Betreiber werden vor externen Schiedsgerichten verhandelt, wie es im internationalen Handelsrecht üblich ist. Ignoriert der Betreiber die Schiedssprüche oder missbraucht er seine Macht, wandern seine Kunden ab, und ihm droht die Insolvenz.

Da derzeit alle Landflächen von Regierungen kontrolliert werden, ist es für die Gründung einer Freien Privatstadt erforderlich, dass der Betreiber eine vertragliche Vereinbarung mit einem bestehenden Staat abschließt. In dieser Vereinbarung räumt der „Gastgeberstaat“ dem Betreiber das Recht ein, die Freie Privatstadt auf einem bestimmten Gebiet zu bestimmten Bedingungen zu errichten, die eine rechtliche Autonomie in verschiedenen Bereichen umfasst.

Staaten können dazu bereit sein, einen Teil ihrer Macht abzugeben, wenn sie sich im Gegenzug Vorteile versprechen. Dazu gehört etwa die Schaffung von Arbeitsplätzen, ausländische Investitionen und eine Beteiligung an den vom Betreiber erwirtschafteten Gewinnen. Die Existenz einer großen Anzahl von Sonderwirtschaftszonen weltweit beweist die grundsätzliche Bereitschaft der Staaten, diesen Weg zu gehen.

1. DAS UNLÖSBARE PROBLEM HEUTIGER SYSTEME

 

1.1 Die Überdehnung Leviathans

 

In seinem berühmten Werk „Leviathan“ führt Thomas Hobbes aus, dass ein staatliches Gewaltmonopol eine friedliche Ordnung schafft, die letztlich allen Einwohnern des Staates zugutekommt. Es ist in der Tat so, dass Innovation, Arbeitsteilung, Handel, wissenschaftlicher Fortschritt und die Entfaltung der Künste in einem von Gewalt geprägten Umfeld nicht möglich sind. Ein wesentlicher Teil dieses Vorteils geht jedoch verloren, wenn der Staat sein Gewaltmonopol nutzt, um Ziele zu erreichen, die über die Durchsetzung und den Schutz des Friedens hinausgehen.

Das ist dann der Fall, wenn der Staat politisiert wird und allen Bürgern politische Ziele vorschreibt, die in der Regel nur von bestimmten Interessengruppen innerhalb der Gesellschaft gewünscht werden. Denn letztendlich bedeutet Politik, dass man allen anderen die eigene Sicht der Welt aufzwingt. Aber Menschen sind verschieden. Was für den einen richtig ist, kann für den anderen falsch sein. Die Tatsache, dass individuelle Werte letztlich subjektiv sind und dass Menschen auch objektiv unterschiedliche Lebenssituationen haben, führt dazu, dass jede „politische Lösung“ diejenigen zurücklässt, die gegen ihren Willen zu etwas gezwungen wurden. „Politik machen“ bedeutet, Partei zu ergreifen und die Wünsche der einen zum Maßstab für alle zu machen. Und zwar notfalls mit Gewalt, denn alle politischen Lösungen werden letztlich durch die Androhung von Gewalt der Exekutive gestützt.

In den derzeitigen politischen Systemen ist die Beziehung zwischen Bürgern und Regierungen vergleichbar mit der Beziehung zwischen jemandem, der ein Auto kaufen möchte und dem Autohändler – wobei der Autohändler (= Regierung) darauf besteht, dass er selbst das Modell, die Farbe, die Motorisierung, die Innenausstattung sowie den Preis, den der Käufer (= Bürger) dafür zu zahlen hat, bestimmt. Außerdem gibt es bei dem Geschäft keine Wahlmöglichkeit: Jeder muss kaufen. Das ist ein offensichtlich unattraktives Geschäft, aber das ist, was die meisten von uns in unseren politischen Systemen akzeptieren.

Der angebliche „Gesellschaftsvertrag“ wird ständig geändert, aber stets nur von einer Seite: dem Staat. Wenn aber das staatliche Gewaltmonopol zu einem Instrument politisch motivierter Parteilichkeit wird, dann verliert das ursprüngliche Konzept seine Wirkung. Hinter der Fassade des friedlichen Staates entsteht ein ständiger Kampf rivalisierender Gruppen. Die Politik wird so zu einem unsichtbaren Bürgerkrieg, dessen Unauffälligkeit sich daraus ergibt, dass die Opfer staatlicher Eingriffe keine realistische Chance auf Gegenwehr haben. Der in modernen Staaten erreichte Frieden ist illusorisch und beruht in Wahrheit auf der effektiven Unterdrückung abweichender Interessen.

Es ist daher kontraproduktiv, dem Staat eine Macht zu geben, die über die Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit hinausgeht. Denn wenn der Frieden erst einmal hergestellt ist, besteht die einzige legitime Aufgabe des Staates darin, dafür zu sorgen, dass die einen den anderen nicht ihren Willen aufzwingen. Der Staat selbst darf nur zur Wahrung dieses Prinzips Gewalt anwenden.

 

1.2 Minimalprinzip trifft Politik

 

Es gibt dabei ein Problem: In der Praxis ist es unmöglich, diese Art der Selbstbeschränkung des Staates zu erreichen. Der Mensch neigt dazu, diejenige Gesellschaftsordnung zu bevorzugen, die ihm den höchsten „Lebensertrag“ zum niedrigsten Preis bietet, das heißt, er versucht, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Nutzen zu erzielen. Diese natürliche menschliche Veranlagung, im Folgenden als Minimalprinzip bezeichnet, ist aus evolutionärer Sicht sinnvoll. Sie hat zu Innovation, Spezialisierung und Arbeitsteilung geführt, die es dem Durchschnittsmenschen heute in den meisten Ländern ermöglicht, in einem Wohlstand zu leben, der früher nur privilegierten Oberschichten vorbehalten war.

Um ihre Ziele zu erreichen, interagieren die Menschen mit anderen. Solange diese Interaktionen freiwillig sind, wollen beide Parteien davon profitieren – andernfalls würden dieses Zusammenspiel nicht stattfinden. Freiwillige Interaktionen werden immer durch ein Versprechen eingeleitet: „Ich gebe Dir etwas Wertvolles im Gegenzug“. Wenn jemand jedoch möchte, dass eine andere Person mit ihm interagiert, kann er auch eine Drohung aussprechen: „Wenn Du nicht einwilligst, werde ich Dir schaden“. Sobald jemand versucht, seine Ziele auf diese Weise zu erreichen, wird die andere Partei höchstwahrscheinlich geschädigt und die soziale Ordnung wird geschwächt. Theoretisch könnten sich alle Mitglieder der sozialen Ordnung darauf einigen, gewalttätiges Verhalten gemeinsam zu unterbinden. Aufgrund der Vorteile, die sich aus der Arbeitsteilung, den Größen- und Verbundvorteilen ergeben, ist es jedoch sinnvoll, sich auf einen „Friedensgaranten“ zu einigen, der allein befugt ist, diese Vereinbarung durchzusetzen. In unserer heutigen Welt ist dieser Garant der Staat.

Wenn die menschliche Disposition zum Minimalprinzip nun auf staatliche Macht trifft, entsteht ein Problem: Aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols kann die Politik Leistungen versprechen, welche die Empfänger scheinbar nichts kosten. In Wirklichkeit gehen sie freilich auf Kosten der anderen Bürger. Damit wird die ursprüngliche Idee, schädliche Interaktionen zu verhindern, auf den Kopf gestellt: Jetzt ist es die mächtigste Institution selbst, die Schaden anrichtet. Die menschliche Veranlagung zum Minimalprinzip führt zwangsläufig dazu, dass Interessengruppen mit Hilfe des Staates versuchen, ihren eigenen Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren. Aus der Sicht der Empfänger sind staatliche Subventionen und Zuwendungen ein verlockendes Konzept: kein Aufwand, dennoch Ertrag. Die Gewährung von Kindergeld, kostenloser Gesundheitsversorgung oder eines bedingungslosen Grundeinkommens kann im Grunde als Stimmenkauf eingestuft werden. Solche Subventionen führen dazu, dass die Bevölkerung immer mehr kurzfristige Leistungen, bedingungslose Versprechen und zusätzliche „kostenlose“ Angebote einfordert.

Die hier beschriebene Dynamik sorgt auch dafür, dass sich der Staat immer mehr in das Privatleben der Bürger einmischt. Denn es werden auch „immaterielle Vorteile“ verteilt, wie Regelungen zugunsten der Wünsche bestimmter Interessengruppen. Da fast jede Interessengruppe versucht, ihre Ideen umzusetzen, steigen mit der Zeit zwangsläufig die Zahl der Gesetze, die Steuerlast und die Staatsverschuldung. Die politische Polarisierung ist eine unvermeidliche Folge eines solchen Systems. Die Möglichkeit des Einzelnen, sein Leben nach eigenem Gutdünken zu gestalten, wird zunehmend eingeschränkt.

In der Theorie lässt sich dieses Problem mit Vernunft und Überzeugungskraft lösen, in der Praxis ist das Minimalprinzip stärker. Politiker oder Machthaber, die Leistungskürzungen befürworten, werden früher oder später abgewählt oder durch „sozial gerechte“ und „solidarischere“ Mandatsträger ersetzt. Darüber hinaus haben die jeweiligen Machthaber keinen Anreiz, sich langfristig vernünftig zu verhalten, da sie keine wirtschaftlichen Konsequenzen für ihre Entscheidungen tragen. Sie sind rechtlich nicht haftbar und keinen einklagbaren Verpflichtungen seitens der Regierten ausgesetzt.

Solche Systeme können aber auf Dauer nicht funktionieren. Überzogene Versprechungen und die Subventionierung unrentabler, aber gut gemeinter Programme führen unweigerlich dazu, dass den Regierungen die Mittel ausgehen, was zur Selbstzerstörung des politischen Systems führt. Fiskalische Tricksereien der Zentralbanken, wie die Manipulation der Zinssätze nach unten oder der Ankauf eigener Staatsanleihen, können dieses Ergebnis nur verzögern, aber nicht verhindern.

Ich bin mir bewusst, dass das Folgende für viele eine äußerst schmerzhafte Erkenntnis ist, aber es führt kein Weg an dieser Einsicht vorbei: Ein wie auch immer legitimiertes System, welches per Gesetz Enteignungen zugunsten Dritter vorsieht (etwa in Form von Steuern und Sozialabgaben) und dem nicht alle Betroffenen zugestimmt haben, kann auf Dauer weder ein friedliches, noch ein berechenbares Miteinander schaffen. Es zerstört die Grundlagen und Resultate freiwilliger Kooperation durch staatliche Macht. Echte Solidarität kann unter Zwang nicht entstehen. Ein solches System vernichtet sukzessive das, was eine Gesellschaft zusammenhält, was sie erfolgreich und attraktiv macht und mündet in einen Kampf aller gegen alle um die Durchsetzung begünstigender Regelungen.

 

2. KRITERIEN FÜR ALTERNATIVE SYSTEME

 

Es ist fruchtlos, Menschen dafür zu tadeln, dass sie ihren evolutionären Veranlagungen folgen, oder sich über Politiker zu beschweren, weil sie die Wünsche der Wähler erfüllen. Die einzige Abhilfe besteht darin, die Macht zu dezentralisieren und zu begrenzen. Je weniger Lebensbereiche die Politik kontrolliert, desto weniger wichtig ist es, wer die Politiker kontrolliert oder beeinflusst. Wer vermeiden will, dass der Staat Sondervorteile auf Kosten Dritter gewährt, muss ein Regierungssystem schaffen, das überhaupt keine Sondervorteile gewähren kann.

Es geht also darum, ein System zu definieren, das von vornherein Fehlanreize vermeidet und in sich stabil ist.  Eine neue, langfristig stabile Gesellschaftsordnung muss von denjenigen, die das Gemeinwesen leiten, verlangen, dass diese

 

  • einzelnen Gruppen oder Bürgern keine Sondervorteile gewähren können (Vermeidung von Lobbyismus, Korruption und Verteilungskämpfen),
  • für Fehler haftbar gemacht werden können (Kopplung von Macht und Verantwortung),
  • ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Erfolg des Gemeinwesens haben (skin in the game),
  • ihren Bürgern den jederzeitigen Weggang oder eine Sezession ermöglichen, ohne finanzielle oder sonstige Hürden aufzurichten (Ermöglichung von Wettbewerb),
  • schriftlich genau umrissene Verpflichtungen und Kompetenzen haben, die nicht einseitig geändert werden können (Rechtssicherheit, Planbarkeit),
  • im Falle von Differenzen vor unabhängigen Gerichten oder Schiedsstellen von den Betroffenen verklagt werden können (neutrale Streitschlichtung).

 

Es wird deutlich, dass auch die westlichen demokratischen Rechtsstaaten eigentlich nur das letzte Kriterium erfüllen, häufig mit Einschränkungen, da nur bestimmte Organe die Regierung verklagen können. Die durch die Verfassungen eigentlich vorgesehene Rechtssicherheit und Planbarkeit ist in der Staatenpraxis nicht mehr gegeben. Die Machthaber können mit ihren Parlamentsmehrheiten und durch die Ernennung von Richtern sowohl Wortlaut als auch Auslegung der Verfassung weitgehend beliebig steuern.

 

 

3. REGIERUNG ALS DIENSTLEISTUNG: FREIE PRIVATSTÄDTE

 

In diesem Papier wird ein Konzept vorgeschlagen, das die genannten Kriterien erfüllt und die beschriebenen Probleme überwindet. Dieses Konzept ist die Freie Privatstadt.

 

3.1 Merkmale Freier Privatstädte

 

  • Eine Freie Privatstadt ist eine souveräne oder mindestens teilautonome Gebietskörperschaft, die über einen eigenen Rechts- und Ordnungsrahmen, ein Steuer-Zoll- und Sozialregime und über eigene Verwaltung, Sicherheitskräfte sowie ein unabhängiges Streitschlichtungssystem verfügt (autonome Verwaltung und Regelungsbefugnis).
  • Die Freie Privatstadt wird von einer Betreibergesellschaft als gewinnorientiertes Unternehmen geführt („Betreiber“). Diese Gesellschaft kann ein privates oder börsennotiertes Unternehmen sein, als Genossenschaft organisiert und sich ganz oder teilweise im Besitz der Bürger befinden. Gegen einen festgelegten finanziellen Beitrag gewährleistet sie den Bewohnern Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum (Schutz durch Betreiber).
  • Jeder einzelne Bewohner hat mit dem Betreiber einen schriftlichen Bürgervertrag geschlossen, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten abschließend regelt. Dieser umfasst die vom Betreiber zu erbringenden Leistungen und den dafür zu bezahlenden Beitrag, daneben die in der Freien Privatstadt geltenden Regeln. Darüber hinausgehende Steuern gibt es nicht. Dieser Bürgervertrag kann nicht einseitig geändert werden; er stellt die „persönliche Verfassung“ eines jeden Vertragsbürgers dar (echter Gesellschaftsvertrag).
  • Teilnahme und Verbleib in der Freien Privatstadt sind freiwillig (volle Freiwilligkeit).
  • Es besteht kein Rechtsanspruch auf Aufnahme in die Freie Privatstadt; um sein Sicherheitsversprechen zu erfüllen, entscheidet darüber der Betreiber nach seinen Kriterien und seinem Ermessen (Einwanderungsvorbehalt).
  • Im Übrigen können die Vertragsbürger tun, was sie möchten, sofern sie dadurch nicht die Rechte anderer oder die sonstigen, im Bürgervertrag festgelegten Regeln verletzen (Leben und leben lassen).
  • Jeder Bewohner kann den Vertrag jederzeit kündigen und die Freie Privatstadt wieder verlassen, der Betreiber kann jedoch nur aus wichtigem Grund kündigen, etwa wegen Verstoßes gegen die Vertragspflichten wie z.  fortgesetzter Nichtzahlung des Beitrages (jederzeitige Vertragsbeendigung durch Bürger).
  • Zwang durch den Stadtbetreiber kann nur zur Durchsetzung der vorgegebenen und vereinbarten Regeln angewendet werden. Schwerwiegende oder wiederholte Verstöße führen zum Ausschluss aus der Freien Privatstadt (vertragsverletzungsbedingter Ausschluss möglich).
  • Im Falle von Konflikten mit der Betreibergesellschaft ist jeder Vertragsbürger berechtigt, unabhängige (Schieds-) Gerichte anzurufen, die nicht der Organisation des Betreibers angehören (echte unabhängige Streitschlichtung).

3.2 Echter Gesellschaftsvertrag

 

In einer Freien Privatstadt ist jeder Souverän Seiner Selbst. Durch eine freiwillige Vereinbarung haben die Bewohner einen echten Vertrag mit einem mehr oder weniger gewöhnlichen Dienstleister geschlossen. Beide Parteien haben die gleichen formalen Rechte und sind daher rechtlich gleichgestellt. In Freien Privatstädten wird die herkömmliche Beziehung zwischen Herrschern und Beherrschten durch eine Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister ersetzt. Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es einen echten Gesellschaftsvertrag mit festgelegten Regeln, nicht einen fiktiven, der immer wieder von einer Seite geändert wird.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen, in denen der Bürger verpflichtet ist, Steuern zu zahlen, ohne ein entsprechendes Recht auf Gegenleistung zu haben, sind in einer Freien Privatstadt Leistung und Gegenleistung direkt miteinander verknüpft. Beide Vertragsparteien haben einen Anspruch auf Vertragserfüllung durch die jeweilige Gegenpartei. Der Betreiber kann vom Bürger die Zahlung des festgelegten Beitrags, aber keine zusätzlichen Gebühren verlangen (es sei denn, der Bürger stimmt zu). Der Bürger wiederum kann den Betreiber wegen Nichterfüllung seiner vertraglichen Pflichten etwa hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit oder eines funktionierenden Privatrechtssystems verklagen. Wer die Betreibergesellschaft tatsächlich leitet oder wem sie gehört, ist für das Funktionieren des Modells ohne Belang. Die Betreibergesellschaft kann auch im gemeinschaftlichen Eigentum aller Bürger stehen.

Entscheidend ist, dass mit dem streng zweiseitigen Vertrag zwischen Bürgern und Betreiber ein uraltes Problem der Menschheit angegangen wird: der Wunsch einiger Menschen, anderen ihren Willen aufzuzwingen. In einer Freien Privatstadt gibt es keine Plattform, die von Bevormundern und Abgreifern gekapert werden könnte. Politischer Aktivismus, missionarischer Eifer, Verteilungskämpfe und das Aufhetzen sozialer Gruppen gegeneinander verschwinden, weil sie keinen Nutzen für die ausführende Partei bringen. Die Bürger wissen, dass sie den Bürgervertrag ihrer Mitbürger nicht ändern können und lernen, die unterschiedlichen Ansichten und Einschätzungen der anderen zu respektieren.

Der Betreiber ist weder König noch Diktator, sondern ein reiner Dienstleister, der nur das tun darf (bzw. muss), was beide Seiten im Vertrag vereinbart haben.

Streitigkeiten zwischen dem Betreiber und den Bürgern werden vor unabhängigen Schiedsgerichten verhandelt, wie es im internationalen Handelsrecht bereits üblich ist. Wenn der Betreiber die Schiedssprüche ignoriert oder seine Macht auf andere Weise missbraucht, werden seine Kunden abwandern und ihm droht schließlich die Insolvenz und der Reputationsverlust für künftige Projekte. Der Betreiber sieht sich also einem realen wirtschaftlichen Risiko gegenüber und hat daher jeden Anreiz, seine Kunden gut und in Übereinstimmung mit dem Bürgervertrag zu behandeln.

Da der Betreiber nur einen begrenzten Machtbereich hat, nämlich den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum der Bürger, garantiert er nur den Rahmen, innerhalb dessen sich die Gesellschaft im Sinne einer „spontanen Ordnung“ entwickeln kann. Eine spontane Ordnung ist eine Ordnung, die durch die vielen freiwilligen Aktivitäten der Einzelnen auf der Grundlage ihres dezentralen Wissens entsteht, nicht durch ein staatliches Mandat oder eine zentrale Planung. Beispiele für Systeme, die sich durch spontane Ordnung oder Selbstorganisation entwickelt haben, sind die Evolution des Lebens auf der Erde, die Sprachen, das Internet und die freie Marktwirtschaft.

 

3.3 Grundsätze des Zusammenlebens

 

Es gibt neben den vereinbarten Regeln nur wenige einfache Prinzipien, die das Zusammenleben der Menschen in einer Freien Privatstadt bestimmen. Leitprinzipien sind Selbstbestimmung und Privatautonomie, also das Recht, die eigenen Rechtsverhältnisse nach eigenem Ermessen zu gestalten. Darüber hinaus gilt die Goldene Regel, wie sie in dem Sprichwort zum Ausdruck kommt: „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu“. Darüber hinaus gilt der Grundsatz do ut des (ich gebe, damit du gibst), also die Erkenntnis, dass Leistung auf Gegenleistung beruht. Schließlich gibt es den Grundsatz der Freiwilligkeit und der Nicht-Aggression, was bedeutet, dass Interaktionen nur aufgrund freiwilliger Zusammenarbeit stattfinden und nicht aufgrund von Zwang und Enteignung, auch nicht für vermeintlich „gute“ Zwecke. Das Ergebnis ist eine „Leben und leben lassen“-Gesellschaft.

 

3.4 Gewinnstreben

 

Das Gewinnstreben des Betreibers ist für das Modell der Freien Privatstädte von zentraler Bedeutung. Viele Menschen halten das Gewinnstreben für etwas Unmoralisches, vor allem wenn es soziale Fragen wie unser Zusammenleben berührt. Sie verkennen, dass es keinen besseren Anreiz gibt, um knappe Ressourcen optimal zu nutzen. Der Wettbewerb mit anderen Systemen und die Notwendigkeit, Gewinn zu erzielen, veranlasst den Betreiber einer Freien Privatstadt dazu, ständig danach zu streben, sein „Produkt“ zu verbessern und die Nutzung der knappen Ressourcen zu optimieren. Dies führt letztlich zu einer höheren Zufriedenheit und einer besseren Qualität der Dienstleistungen für die Bürger.

Jede Entscheidung, die der Betreiber trifft, hat eine unmittelbare Auswirkung. Der Betreiber muss sich fragen, ob seine Maßnahmen die Zufriedenheit der Bürger erhöhen oder ob es besser ist, Sparmaßnahmen durchzuführen, die eine Senkung der Gebühren ermöglichen, damit die Freie Privatstadt wettbewerbsfähiger werden kann. Mit anderen Worten: Bevor der Betreiber handelt, muss er sich zunächst fragen, ob seine Maßnahmen letztlich mehr Einnahmen als Ausgaben generieren werden. Werden mehr Einnahmen erzielt, wird ein Gewinn erwirtschaftet und der Unternehmenswert der Freien Privatstadt erhöht, was die gestiegene Zufriedenheit der einzelnen Einwohner und der ansässigen Unternehmen widerspiegelt. Wenn die Maßnahme zu Verlusten führt, muss sie entweder verbessert oder rückgängig gemacht werden. Eine solche Effizienz und damit eine höhere Lebensqualität für alle Beteiligten wird von herkömmlichen staatlichen Systemen niemals erreicht werden können.

 

3.5 Wettbewerb

 

Freie Privatstädte können in alle Richtungen modifiziert werden, von anarcho-kapitalistischen Modellen ohne Gewaltmonopol bis hin zu Kibbuz-artigen Kommunen ohne Privateigentum. Die Wahl unterschiedlicher Konzepte ermöglicht es, die meisten politischen Konflikte zu entschärfen und durch ein friedliches Nebeneinander verschiedener Systeme zu ersetzen, denen sich die jeweiligen Bewohner freiwillig anschließen. Gerade weil die Präferenzen der Menschen unterschiedlich sind und wir nicht wissen können, welches System für wen das Beste ist, müssen wir Vielfalt und Wettbewerb zulassen. Eine einzige Weltregierung wäre eine extreme Gefahr für die Freiheit: Keine Exile, keine Vergleiche, keine Wahl mehr.

Die Betrachtung einer Gesellschaftsordnung als „Produkt“ auf dem „Markt des Zusammenlebens“ und der friedliche Wettbewerb der Systeme um die Bürger als „Kunden“ wird sowohl mehr Frieden als auch mehr Freiheit bringen. Denn das Finden von Lösungen auf dem Markt ist nicht gewalttätig, nicht revolutionär, sondern ein evolutionärer Prozess, der sich durch Mutation (Versuch und Irrtum), Selektion (Rentabilität oder Konkurs) und Reproduktion (Nachahmung erfolgreicher Lösungen) vollzieht.

Deshalb müssen erstens alternative Gesellschaftsformen zugelassen werden und zweitens dürfen die Bürger nicht daran gehindert werden, aus dem jeweiligen System auszusteigen. Wer kein Souverän Seiner Selbst sein will, sondern das Leben im Kollektiv und „soziale Wärme“ bevorzugt, hat alles Recht der Welt dazu. Aber er hat nicht das Recht, andere, die Freiheit bevorzugen, gegen ihren Willen festzuhalten oder zu zwingen, die von ihm gewünschte Lebensweise zu finanzieren. Gesellschaftsordnungen, die nur funktionieren, wenn Menschen gegen ihren Willen in ihnen festgehalten und zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden, werden auf Dauer ohnehin scheitern. Wer ein gutes Produkt hat, muss weder Kritik noch Konkurrenz fürchten und braucht diese deshalb auch nicht zu verbieten oder zu regulieren. Tatsächlich hat sich der Wettbewerb als das einzige dauerhaft wirksame Mittel zur Begrenzung menschlicher Macht erwiesen.

 

3.6 Umsetzung

 

Es ist nicht einfach, in den „Markt des Zusammenlebens“ einzudringen. Bislang musste man dazu eine Wahl gewinnen, eine Revolution durchführen oder eine Sezessionsbewegung organisieren.

Die Gründung von Freien Privatstädten ist eine friedliche Alternative zu diesen Methoden. Zweifellos ist es keine leichte Aufgabe, bestehende Staaten dazu zu bringen, einen Teil ihrer Souveränität aufzugeben. Dennoch dürfte dieser Weg einfacher sein, als bestehende Systeme „von innen“ in Richtung auf mehr Freiheit, Rechtssicherheit und Selbstverantwortung zu verändern.

Dass so etwas möglich ist, zeigt die Tatsache, dass es weltweit bereits viele Sonderwirtschaftszonen gibt, zum Teil nach dem Modell „ein Land, zwei Systeme“. In gewisser Weise ist das Konzept der Freien Privatstädte lediglich die nächste Stufe in der Entwicklung der Sonderwirtschaftszonen. Wenn man es auf diese Weise beschreibt, lässt sich das Konzept potenziellen Gastgeberstaaten auch leichter nahebringen, weil es an bekannte Modelle anknüpft.

Die Einrichtung einer Freien Privatstadt erfordert eine vertragliche Vereinbarung mit einem bestehenden Staat. In dieser Vereinbarung räumt der „Gastgeberstaat“ dem Betreiber das Recht ein, die Freie Privatstadt auf einem bestimmten Gebiet zu den vereinbarten Bedingungen zu errichten.

Um die Freiwilligkeit der Teilnahme zu gewährleisten, sollte das für die Gründung einer Freien Privatstadt vorgesehene Gebiet zunächst unbewohnt sein. Der Grad der Autonomie, den die jeweilige Freie Privatstadt letztendlich haben wird, ist Verhandlungssache mit dem Gastgeberstaat. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Freie Privatstadt in der Lage sein wird, eine vollständige Unabhängigkeit auszuhandeln. Neben der territorialen Souveränität (Verteidigung, Außenpolitik) wird der Gastgeberstaat wahrscheinlich auf der Anwendung bestimmter Rechtsnormen bestehen, wie z. B. der Gültigkeit der in seiner Verfassung verankerten Menschenrechte sowie der Einhaltung der von ihm geschlossenen internationalen Abkommen. Die Freie Privatstadt sollte in der Lage sein, dies zuzugestehen, ohne ihr Wesen aufzugeben. Insofern wird die Freie Privatstadt nicht in der Lage sein, eine eigene Staatsbürgerschaft zu vergeben; die Einwohner behalten ihre eigene, erhalten aber einen Aufenthaltsstatus im Gastgeberstaat.

Staaten können bereit sein, einen Teil ihrer Macht über ein bestimmtes Gebiet abzugeben, wenn sie sich davon Vorteile versprechen. Es muss also eine Win-Win-Situation sowohl für den Betreiber als auch für den Gastgeberstaat geschaffen werden. Die Ansiedlung Freier Privatstädte in strukturschwachen Gebieten erhöht nicht nur ihre Attraktivität für die betreffende Region, sondern schafft auch Arbeitsplätze und Investitionen in den angrenzenden Gebieten, was letztlich dem Gastgeberland zugutekommt. Hongkong, Singapur und Monaco sind hierfür gute Beispiele: Um diese Stadtstaaten hat sich in den Nachbarstaaten ein Kordon aus dicht besiedelten und vergleichsweise wohlhabenden Gebieten gebildet. Viele Einwohner der Anliegerstaaten arbeiten im Stadtstaat, zahlen aber Steuern im Heimatland. Wenn man davon ausgeht, dass derartige Entwicklungen in einem ehemals strukturschwachen oder völlig unbewohnten Gebiet stattfinden, dann kann der Gastgeberstaat davon nur profitieren.

 

 

4. EINZELFRAGEN

 

Die folgenden Punkte betreffen die am häufigsten aufgeworfenen Fragen zur Idee der Freien Privatstädte. Weitere Einzelheiten dazu finden sich in den Links am Ende dieses Dokuments.

 

4.1 Zielgruppe

 

Freie Privatstädte richten sich an alle Einkommensgruppen. Die Höhe der Jahresgebühr für das obligatorische Basispaket, bestehend aus Infrastruktur, Sicherheit und dem Rechts- und Streitschlichtungssystem, beläuft sich auf etwa 1.500 USD pro Person (weniger als eine Unze Gold). Der Betrag kann in einkommensschwachen Ländern nach unten angepasst werden. Die Tatsache, dass keine Steuern erhoben werden, entlastet die Vertragsbürger finanziell, insbesondere Alleinstehende, aber auch alle mittleren Einkommensbezieher mit Familien. Die freiwerdenden Mittel stehen den Bürgern für die eigene Gesundheits- und Altersvorsorge, die Mitgliedschaft in Selbsthilfeeinrichtungen sowie für die Ausbildung ihrer Kinder zur Verfügung. Freie Privatstädte bieten aufgrund ihrer Steuerfreiheit und des regulierungsarmen, wirtschaftsfreundlichen und dienstleistungsorientierten Rechtssystems erhebliche Anreize für die Ansiedlung von Unternehmen. Durch deren wirtschaftliche Aktivität werden auch Arbeitsplätze für Gering- und Mittelverdiener geschaffen.

 

4.2 Soziale Sicherheit

 

Freie Privatstädte ermöglichen den Aufbau von freiwilligen, vielschichtigen Unterstützungsnetzen für Menschen mit Behinderung, Krankheit oder sonstiger Beeinträchtigung. Die Etablierung von kollektiven Selbsthilfeeinrichtungen, privaten Versicherungsanbietern sowie die Unterstützung durch Familie und Freunde und Wohltätigkeitsorganisationen werden ausdrücklich ermutigt (im Buch über Freie Privatstädte ausführlich behandelt). Diese Einrichtungen sollten ausreichen, um alle echten Härtefälle in einer Gemeinschaft aufzufangen. Einige Betreiber könnten sich weiter dafür entscheiden, eine vertraglich garantierte Mindestsicherung anzubieten.

 

4.3 Umweltschutz

 

Freie Privatstädte haben ein Interesse daran, eine saubere Umwelt zu erhalten, um attraktiv für ihre Kunden (Bewohner) zu sein. Im Prinzip basiert der Umweltschutz in der Freien Privatstadt auf dem Schutz der individuellen Rechte. Umweltschäden sind ohne Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz oder Personen nicht denkbar. Daher gibt es ein entsprechendes Klagerecht gegen jeden, der diesbezügliche Belange eines anderen beeinträchtigt, und es muss dann von unabhängigen Gerichten entschieden werden, ob der Anspruch berechtigt ist. In einer Freien Privatstadt gibt es keine Tragik der Allmende, da alle Flächen und Gewässer im Besitz oder zumindest unter der Kontrolle von Akteuren sind. Dies gilt insbesondere für den Betreiber selbst, der neben seiner Verwaltungstätigkeit auch als Eigentümer von Grundstücken, Straßen und Plätzen dem Privatrecht unterliegt und als solcher von seinem Klagerecht bei Umweltschäden an seinem Eigentum Gebrauch machen kann.

 

4.4 Demokratie

 

Der Betreiber ist ein jederzeit verklagbarer Dienstleister mit einem engen Aufgabenbereich: Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum nach vorher festgelegten und vereinbarten Regeln, die nicht einseitig geändert werden können. Die überwiegende Mehrheit der Entscheidungen im Leben der Bewohner findet daher außerhalb des Einflussbereichs des Betreibers statt. Wenn jeder Mensch fast alles selbst entscheiden kann, einschließlich der Frage, wie er leben und welche Ziele er unterstützen möchte, dann besteht keine Notwendigkeit, diese Entscheidungen an ein Parlament, eine Regierung oder die Mehrheit zu delegieren. Freie Privatstädte sollen maximale Selbstbestimmung ermöglichen, nicht maximale Mitbestimmung. Mit der Fortentwicklung der Gemeinwesen von der Mehrheitsentscheidung zur Selbstbestimmung entfällt auch das principal-agent-problem, das dadurch entsteht, dass Repräsentanten ihre eigenen Interessen bevorzugen gegenüber den Interessen derer, die sie vertreten. Wenn alle durch ihre Handlungen entscheiden können, welche Produkte und Projekte weiter bestehen und welche nicht, ist dies demokratischer im Sinne einer „Herrschaft aller“ als in einem Mehrheitssystem. Durch diesen Prozess sind Freie Privatstädte eher „Volldemokratien“ als die Quasi-Demokratien und Parteienherrschaften, die heutigen Systeme charakterisieren.

 

4.5 Gewaltmonopol

 

Aufgrund des Gewaltmonopols in der Freien Privatstadt wäre der Betreiber theoretisch in der Lage, dieses Monopol zu missbrauchen und sich wie ein Diktator zu verhalten. Allerdings würden die meisten Bürger darauf mit dem Verlassen der Freien Privatstadt reagieren, und es wäre für den Betreiber aufgrund des Ansehensverlustes unmöglich, anderswo erfolgreich neue Privatstädte zu gründen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Betreiber nicht vom Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes auf hoher See oder dem Verwalter einer abgelegenen Feriensiedlung. Beide haben die Macht als Diktatoren aufzutreten, verzichten aber aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen darauf.

Die Zulassung von konkurrierenden Sicherheitsdienstleistern mit eigenen Regeln und damit konkurrierenden Rechtssystemen mag aus Gründen der Monopolvermeidung theoretisch attraktiv erscheinen. In der Praxis dürften der Aufwand und die Unannehmlichkeiten (Transaktionskosten) jedoch zu hoch sein. Es würde Jahre dauern, bis sich auf dem Markt Regeln herausbildeten, wie Kollisionen zwischen den verschiedenen Anbietern und Rechtssystemen gelöst werden können. Faktisch könnte der Eigentümer des stärksten Sicherheitsdienstes machen, was er will.

Sobald sich das Modell der Freien Privatstädte als rentabel erwiesen hat, werden zwangsläufig Wettbewerber auf den Plan treten. Dies ist die beste Garantie für die Bewohner, dass die jeweiligen Betreiber ihre Machtposition nicht missbrauchen. Im Übrigen bleiben das Recht eines jeden Vertragsbürgers auf Selbstverteidigung und die entsprechende Unterstützung Dritter gegen Angriffe unberührt bzw. werden ausdrücklich vertraglich garantiert.

 

4.6 Vertragsänderungen

 

Verfassungen können auch gegen den Willen des Volkes geändert werden, wenn eine qualifizierte (parlamentarische) Mehrheit der Änderung zustimmt. Verträge hingegen können nur geändert werden, wenn beide Vertragsparteien zustimmen. Deshalb ist der Bürgervertrag so wichtig für den Schutz der Rechte der einzelnen Einwohner. Freilich kann auch der beste Vertrag nicht alle möglichen zukünftigen Eventualitäten vorhersehen. Aber ein Vertrag, der vom Betreiber jederzeit geändert werden kann oder vage Formulierungen enthält, ist für die Bürger nicht wirklich von Nutzen. Daher muss der Vertragstext so klar und eindeutig wie möglich sein. Kommt es später zu Auslegungsstreitigkeiten wegen fehlender oder unklar formulierter Klauseln in bestimmten Bereichen, so entscheiden die jeweiligen (Schieds-)Gerichte über die strittige Frage und füllen die Regelungslücke. Sie tun dies unter Anwendung der seit Jahrhunderten geltenden, vorab vereinbarten Rechtsgrundsätze und im Rahmen eines vernünftigen Interessenausgleichs. Die Entwicklung von Verträgen findet somit ausschließlich von Fall zu Fall nach einem entsprechenden Urteil statt. Das bedeutet, dass Gerichtsurteile und Schiedssprüche, die sich mit einer bestimmten Frage befassen, von da an für alle verbindlich sind. Neue Regeln oder Vertragsänderungen sind nicht erforderlich. Auf diese Weise funktioniert das englische Common Law seit Jahrhunderten.

 

4.7 Finanzierung

 

Freie Privatstädte finanzieren sich über die Gebührenbeiträge der Bürger, welche die Ausgaben für Sicherheit, ein Rechtssystem und eine gewisse Infrastruktur abdecken. Eine weitere Einnahmequelle sind Grundstücksgeschäfte. Der Betreiber wird in den ersten Betriebsjahren wahrscheinlich Investitionen in die Infrastruktur selbst tätigen müssen, um Siedler anzuziehen, aber eine Vorfinanzierung ist im Risikokapitalgeschäft üblich. Aufgrund von Skaleneffekten wird das Gebührensystem wahrscheinlich erst ab einer bestimmten Einwohnerzahl (etwa 10.000) rentabel, da die Ausgaben für Sicherheitskräfte, Streitschlichtungsstellen und Infrastruktur nicht proportional zur Einwohnerzahl steigen müssen. In der Praxis wird der Betreiber wahrscheinlich einen großen Teil seiner Einnahmen aus Immobiliengeschäften erzielen. Dazu könnte der frühzeitige Erwerb von Grundstücken gehören, deren Wert dann durch die Einrichtung eines stabilen und attraktiven Systems steigt. Die Grundstücke können parzelliert und verkauft oder verpachtet werden. Die entsprechenden Einnahmen können dann zur Querfinanzierung von Ausgaben, Infrastruktur oder sogar zur Senkung der Jahresgebühr verwendet werden.

 

4.8 Schutz vor Übernahme

 

Eine Freie Privatstadt kann, insbesondere wenn sie erfolgreich ist, einem feindlichen Übernahmeversuch durch den Gastgeberstaat ausgesetzt sein. Daher wird der Vertrag zwischen dem Betreiber und dem Gastgeberstaat Investitionsschutz- und Schiedsgerichtsklauseln enthalten. Die abschreckende Wirkung wird dadurch erreicht, dass der Gastgeberstaat nach der Besetzung der Freien Privatstadt erheblichen finanziellen Forderungen ausgesetzt ist, was auch zu einer Beschlagnahmung seiner ausländischen Vermögenswerte führen könnte. Der Betreiber der Freien Privatstadt wird jedoch ein Interesse daran haben, es nicht so weit kommen zu lassen. Er wird wahrscheinlich auf alternative Mittel zurückgreifen, z. B. eine Kombination aus Öffentlichkeitsarbeit, diplomatischen Kontakten zu anderen Staaten und renommierten Institutionen oder anderen Verteidigungsmaßnahmen. Außerdem kann beizeiten darauf hingewiesen werden, dass die Bewohner sehr mobil sind und im Falle einer feindlichen Übernahme die Freie Privatstadt schnell verlassen werden, was den Anreiz für den Gastgeberstaat, diesen Versuch zu unternehmen, weiter schwächt.

 

 

5. FAZIT

 

Die friedliche Veränderung bestehender, festgefahrener politischer Systeme ist eine sehr schwierige Aufgabe. Wenn wir eine freiere, selbstbestimmte Welt schaffen wollen, sollten wir stattdessen versuchen, alternative Systeme und Rahmenbedingungen zu schaffen. Freie Privatstädte sind ein solcher Versuch. Sie sind keine Utopie, sondern eine Geschäftsidee, deren Funktionselemente bereits bekannt sind (Erbringung vertraglich vereinbarter Dienstleistungen) und die einfach auf einen anderen Bereich übertragen wird, nämlich den des Zusammenlebens.

Wir leben in einer zunehmend vernetzten Welt, in der viele Menschen von zu Hause aus für Kunden in mehreren Ländern arbeiten können. Kryptowährungen und dezentrales Finanzwesen sind im Kommen. In einer solchen Welt wird es für Nationalstaaten immer schwieriger, Steuern und Sozialabgaben auf alle möglichen Aktivitäten zu erheben. Schon aus diesem Grund ist das Gebührensystem der Freien Privatstädte die zukunftsträchtigere Option.

Der erfolgreiche Aufbau von Parallelstrukturen unabhängig von Nationalstaaten und mächtigen internationalen Organisationen ist möglich: Bitcoin ist der Beweis. Parallelstrukturen auf dem Markt des Zusammenlebens sind ebenfalls gefragt. Das liegt daran, dass die Menschen sich nicht Regeln und Vorschriften unterwerfen wollen, denen sie nicht zugestimmt haben. Die Menschen wollen nicht für Dinge bezahlen, die sie nicht bestellt haben. Und vernünftige Menschen brauchen nicht Hunderte oder Tausende von Gesetzen, um friedlich zusammenzuleben. Stattdessen benötigen die Menschen einen sicheren Raum, in dem sie leben und mit anderen zusammenarbeiten können, aber ansonsten in Ruhe gelassen werden.

Freie Privatstädte können diese Wünsche erfüllen. Die bestehenden politischen Systeme können das nicht. Aus diesem Grund haben Freie Privatstädte eine Chance auf Erfolg. Am Ende gehen die Menschen nämlich dorthin, wo sie am besten behandelt werden.

 

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